GPN0

aus dem Wiki des Entropia e.V., CCC Karlsruhe

Wie gerne erinnere ich mich an das Frühjahr 2001 zurück, als die Tage länger und die Bildschirme flacher wurden. Ich hatte gerade mein neues Büro im Gewerbehof bezogen. Der Geruch von Massageöl ging langsam in eine leichte Lötzinn-Note über.

Die erste Lieferung Mate war gerade angekommen, und das Leben im Büro konnte beginnen. Nachdem ich mich nun schon über eine Woche von Pizza ernährt hatte, war mir nach etwas Abwechslung. Da die Raumdoppler-Riegipswand noch nicht erfunden war, gab es einfach keinen Platz für eine eigene Küche. Zum Glück ist man ja im Gewerbehof nicht allein und es gibt jede Menge Nachbarn, die man um Hilfe fragen kann. Leider war das Cafe schon geschlossen, und auch sonst war zu dieser späten Stunde niemand mehr im Gewerbehof. Fast niemand. Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass in den Räumen unter meinem Büros noch Licht brannte. Der Anwaltskanzlei unter meinem Büro hatte ich bisher wenig Beachtung geschenkt. Bis jetzt galt in meinem Büro immer "wer macht, hat recht", und Policys wurde bisher auch wenig Beachtung geschenkt, da ist so eine Kanzlei ja eher gegensätzlich. Resigniert, mit knurrendem Magen machte ich mich auf den Weg zurück ins Büro. Auf halbem Wege hörte ich plötzlich "ISDN?! Wer hat sich denn den Scheiß ausgedacht? Nichts geht!" aus der nur einen Spalt geöffneten Tür der Anwaltskanzlei. Mein Blick viel auf das Schild an der Tür: "Kanzlei Oper & Kollegen - Spezialkanzlei für Tele-Veranstaltungsrecht". Televeranstaltungsrecht? Und die kann nicht mit ISDN umgehen? Das machte mich doch etwas stutzig. Ich trat einen Schritt näher, öffnete die Tür einen Spalt und rief ein wenig neckisch "Haben sie das Fax schon ein mal aus- und wieder eingesteckt? Oder wollen Sie nicht vieleicht direkt eine E-Mail versenden?". Zurück kam nur: "Haha, E-Mail, als ob das Gericht wüsste, was das ist! Und neustarten, was ein dämlicher Hinweis, als hätte ich das nicht schon zehn mal probiert! Und, äh, wer sind Sie überhaupt?"

Ein paar Minuten und eine verkorkste Vorstellungsrunde später saßen wir nun zu zweit am Schreibtisch und versuchten. Plötzlich meldete Sich der PC mit einem lauten Hinweiston, Napster meldete sich, der Download von "Turn the Tide" von "Sylver" sei abgeschlossen. "7.5mb in unter 8 Minuten… Sag mal, hast du Kanalbündelung am laufen?"

Kaum hatte Tina die Einwahlverbinung am Computer beendet, ertönten aus dem Fax die beruhigenden Töne. Eins nach dem anderen wurden die Blätter schnurrend eingezogen und mit jeder Seite schwand die Sorgnis aus Tinas Gesicht und ging in Erleichterung über. "An die Downloads hatte ich gar nicht mehr gedacht, ich war so in den Fall vertieft! Kann ich dir noch irgendwie einen Gefallen tun?" Ich überlegte kurz, doch dann stach mir ein Geruch aus der offensichtlich vorhandenen Küche in die Nase. "Sag mal, was riecht denn da so verlockend? Ich hab oben noch gar keine eigene Küche und " - "Ach, das ist auch nur eine kleine Kochniesche, aber für lange Abende bereite ich mir immer einen Eintopf vor. Heute hab ich Gulasch gemacht. Wenn wir den Topf leer kratzen reicht es sicher für uns beide!"

Gesättigt wollten wir nun das Problem ein für alle mal lösen. Obwohl ich damals nur mehr schlecht als recht ein Batch-Script zusammengeklöppelt hatte, dass die Einwahlverbindung auf einen Kanal beschränkte, wenn das Fax Bedarf signalisierte, tat diese Lösung bis zur Einführung von DSL ihren Dienst.

Nach getaner Arbeit mussten wir feststellen, dass unsere Napster-Bibliotheken gar nicht so unterschiedlich waren. Schnell war die gemeinsame Playlist erstellt und auf mein iPod kopiert. Kurzerhand hab ich ihn an Tinas Stereoanlage angeschlossen und wir ließen uns gemeinsam auf dem Sofa nieder. Mitlerweile war es so spät, nach Hause würde niemand mehr gehen. Und so sind wir Arm in Arm auf Tinas Sofa eingeschlafen, bis wir am nächsten Morgen unsanft von ihrer Kollegin geweckt wurden.

Den Jahrestag dieser denkwürdigen Nacht feiern wir bis heute als GPN.