Offener Brief gegen Videoüberwachung am Werderplatz: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 19. Februar 2024, 13:24 Uhr
Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte: Ein Aufruf zur Ablehnung von Videoüberwachung auf dem Werderplatz
Sehr geehrte Gemeinderatsfraktionen,
wir schreiben Ihnen, um unsere tiefe Besorgnis über die vorgeschlagene Einführung von Videoüberwachung auf dem Karlsruher Werderplatz zum Ausdruck zu bringen. Als gemeinnütziger Verein, der sich für die Wahrung der bürgerlichen Freiheiten und die Förderung einer freien Gesellschaft einsetzt, sind wir der Meinung, dass solche Überwachungsmaßnahmen erhebliche Risiken für die Privatsphäre und die Grundrechte des Einzelnen mit sich bringen.
Wir verstehen zwar den Wunsch, Probleme im Zusammenhang mit Alkoholkonsum und illegalen Substanzen in diesem Gebiet anzugehen, sind jedoch der festen Überzeugung, dass die vorgeschlagene Videoüberwachung ein absolut ungeeignetes Mittel ist, um diese Ziele zu erreichen. Technische Maßnahmen, insbesondere zeitversetzte, sind im Generellen kein probates Mittel um soziale Konflikte zu lösen.
Wir fordern Sie stattdessen auf, alternative Strategien in Betracht zu ziehen, die dem Engagement der Gemeinschaft, der Schadensbegrenzung und der Achtung der bürgerlichen Freiheiten Vorrang einräumen. (Ausbau der Sozialarbeit, Ausweitung des Alkoholverbots, um dem Weiterkonsum auf weiteren öffentlichen Plätzen, wie Spielplätzen oder gegenüberliegenden Bürgersteigen entgegenzuwirken, Begrenzung des Alkoholangebots in umliegenden Supermärkten, transparentere Hinweise zum "Werderplatztelefon", Anlaufstellen für betroffenen Personen (Suchthilfe get IN, etc.))
Im Folgenden sind einige wichtige Gründe aufgeführt, warum wir gegen die Einführung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum sind:
Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre: Die Videoüberwachung verletzt die Persönlichkeitsrechte von Personen, die sich an diesen öffentlichen Orten aufhalten. Jeder Bürger hat das Recht, sich frei und ohne ständige Überwachung durch Behörden oder privaten Unternehmen zu bewegen.
Missbrauchsmöglichkeiten: Das Sammeln und Speichern großer Mengen von Videodaten schafft Möglichkeiten des Missbrauchs. Ohne angemessene Kontrollmechanismen besteht die Gefahr des Missbrauchs, einschließlich des unbefugten Zugriffs auf das Filmmaterial oder dessen Verwendung für andere Zwecke als die öffentliche Sicherheit. Desweiteren können biometrische Daten aus dem erstellten Videomaterial extrahiert werden, mithilfe derer Personen weltweit und lebenslang identifiziert werden können.
Abschreckende Wirkung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung: Das Vorhandensein von Überwachungskameras kann eine abschreckende Wirkung auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit haben. Bürger können sich davon abgehalten fühlen, ihr Recht auf Versammlung und Teilnahme am öffentlichen Diskurs wahrzunehmen, wenn sie wissen, dass sie ständig überwacht werden. Auch sonst passen Menschen ihr Verhalten (unbewusst) an, wenn sie den Eindruck haben, überwacht zu werden. Damit beeinträchtigt die Maßnahme die freie Entfaltung der Bürger.
Begrenzte Wirksamkeit: Studien haben gezeigt, dass die Wirksamkeit der Videoüberwachung bei der Abschreckung von Verbrechen oft überschätzt wird. Kriminelle Aktivitäten verlagern sich eher in Bereiche ohne Überwachung, als dass sie unterbunden werden. Daher wird die vorgeschlagene Überwachung die Ursachen der Probleme rund um den Werderplatz nicht an der Wurzel packen, sondern viel mehr in die umliegenden Gebiete verschieben. Dies könnte auch umliegende Spielplätze und Wohngebiete treffen. Außerdem können Überwachungssysteme ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln, was dazu führt, dass andere, wirksamere Strategien zur Verbrechensverhütung vernachlässigt werden.
Zuweisung von Ressourcen: Die finanziellen und personellen Ressourcen, die für die Installation, Wartung und Überwachung von Videoüberwachungssystemen erforderlich sind, könnten besser für Initiativen eingesetzt werden, die die eigentlichen Ursachen der Kriminalität, wie Armut, Ungleichheit und mangelnder Zugang zu sozialen Diensten, bekämpfen. Dies ist insbesondere vor der Hintergrund der knappen Haushaltslage der Stadt Karlsruhe zu bedenken. Es darf keinesfalls zu einer Kürzung in der Betreuung und Beratung sozial benateiligter Personen und Familien kommen. Ebenso wenig in der Präventionsarbeit in den Themen Drogenkonsum und Gewalt. Offene, vertrauliche und kostenfreie Beratungsmöglichkeiten sind für Bürger in allen Altersgruppen und Lebenslagen wichtig, diese Gelder dürfen nicht für eine undurchsichtigen Überwachung eines öffentlichen Platzes verwenden werden.
Abschließend fordern wir Sie auf, den vorgeschlagenen Plan zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum zu überdenken und stattdessen alternative Ansätze zu prüfen, die dem Schutz der bürgerlichen Freiheiten Vorrang einräumen und gleichzeitig die Sicherheit und das Wohlergehen der Gemeinschaft fördern.
Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung unserer Anliegen.
Mit freundlichen Grüßen,
Entropia e.V. – Chaos Computer Club Karlsruhe
Meta
Dieser offene Brief wurde am 19.02.2024 an die Karlsruher Gemeinderatsfraktionen verschickt.
Siehe Auch
- Sitzungskalender Gemeinderat Karlsruhe
- Argumente gegen Videoüberwachung
- ka-news.de: Erst "Euro" jetzt Werderplatz? CDU bringt Videoüberwachung wieder ins Spiel
- Stellungnahme des Entropia e.V. – Chaos Computer Club Karlsruhe zur Beschlussvorlage „Erprobung einer innovativen Sicherheitstechnik am Europaplatz“